Tag Archives: Justizministerium

Ignoranz und Arroganz der Macht

38. Sitzung des UA „Labor“
Obwohl zwei amtierende bayerische Minister vor dem Untersuchungsausschuss „Labor“ Rede und Antwort stehen mussten, gab es nur eine relativ kurze Sitzung. Beiden gemeinsame Verteidigungslinie: Über den Tisch eines Ministers geht jeden Tag so viel, da könne man sich einfach nicht an Einzelheiten erinnern. Dafür möge sich der Landtag doch an die zuständigen Beamten wenden. Für Innenminister Herrmann waren die Querelen in und um die „SoKo Labor“ wohl auch eher ein alltäglicher, wenig bemerkenswerter Vorgang. Es gehöre eben zum Polizeialltag, dass die Staatsanwaltschaft auch mal Entscheidungen über Ermittlungen treffe, die den Ermittlerinnen und Ermittlern nicht gefallen. Dies ist grundsätzlich richtig. Allerdings kann von einer modernen Führung erwartet werden, dass die Ermittlerinnen und Ermittler rechtzeitig über Angelegenheiten, die sie unmittelbar betreffen, umfassend informiert und einbezogen werden. Und genau dies ist im bayerischen Landeskriminalamt im Fall Schottdorf nicht geschehen.

Herrmann: Aus Schaden nicht klug geworden
Der Innenminister wollte allerdings nichts davon wissen, dass die massiven Verwerfungen in SoKo und LKA auch von einem vormodernen Führungsstil begünstigt wurden. So wurde beispielsweise dem LKA-Ermittler Sattler zunächst noch zugesichert, dass er Leiter der „SoKo Labor“ bleiben werde, um ihn dann kurz darauf ohne Vorwarnung abzusetzen. Vorgänge wie diese führten zu verständlichem Ärger im LKA, der sich zunächst in internen Beschwerden Luft verschaffte. Als die betroffenen Beamten nach Jahren immer noch auf taube Ohren stießen und das Misstrauen weiter wuchs, wandten sie sich letztlich an die Öffentlichkeit. Auf die Frage, ob man im Innenministerium und bei der Polizei daraus gelernt habe, berief sich Herrmann darauf, dass das LKA ja nun einen neuen Präsidenten habe und man sich auch mit der Führungskultur intensiv auseinandergesetzt habe. Offenbar war dies als Distanzierung von dem ehemaligen Präsidenten des LKA, Peter Dathe, gemeint. Letztlich ist das zu wenig. Der Innenminister als oberster Dienstherr hätte frühzeitig und ernsthaft prüfen müssen, was im LKA so massiv schief lief. Diese Verantwortung kann er nicht nachträglich auf andere abwälzen.

Bausback: Keine „aktive“ Erinnerung, keine aktive Kontrolle
Justizminister Bausback stellte von vornherein klar, dass die relevanten Vorgänge rund um die „Affäre Schottdorf“ längst abgeschlossen waren, als er im Herbst 2013 Justizminister wurde. An das meiste, was in diesem Zusammenhang danach hochkochte, habe er leider „keine aktive Erinnerung“ mehr. Er weigerte sich auch, Falschinformationen von Parlament und Öffentlichkeit unter anderem im Verfassungsausschuss des bayerischen Landtages am 22.05.2014 zu kommentieren und korrigieren. Obwohl er sich in dieser Sitzung wegen eines Bundesratstermins lediglich vertreten ließ, wollte er zu den falschen Behauptungen, dass „kein Patient geschädigt“ worden und dem Justizministerium Rückforderungen von Versicherungen nicht bekannt geworden seien, nicht Stellung nehmen. Auch das ein Beispiel für die unschöne Art, Verantwortung für offensichtliche Fehler im Nachhinein auf Untergebene abzuwälzen.

Vermeidung von Verantwortung
Insgesamt verfestigte sich durch die beiden Ministereinvernahmen der Eindruck, dass diese – zwar auf ihre je eigene Art, aber im Ergebnis wie die frühere Justizministerin Merk – vor allem darauf bedacht sind, keine Verantwortung zu übernehmen, weil man sich dadurch angreifbar machen kann. Sie schrecken förmlich vor ihrer Ministerkompetenz, der Pflicht zur Kontrolle und dem Recht, zu führen und im Zweifel korrigierend einzugreifen, zurück und verlassen sich lieber darauf, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon wissen, was sie zu tun haben. Diese gelebte Verantwortungslosigkeit führen die untergeordneten Behörden dann ihrerseits fort. So machte die Generalstaatsanwaltschaft München der Staatsanwaltschaft München I nur „Vorschläge“. Auch sie sprach keine beamtenrechtlich verbindlichen, schriftlichen Weisungen aus. „Vorschläge“ der Generalstaatsanwaltschaft sind aber keine Vorschläge, die man auch hätte ablehnen können. Die untergebenen Beamtinnen und Beamten werden so in die Ecke gedrängt. Dagegen vorgehen können sie allerdings nicht. Hätten sie stattdessen eine schriftliche Weisung bekommen, hätte ihnen die Möglichkeit offen gestanden dagegen zu remonstrieren. Eine übergeordnete Behörde müsste dann prüfen, ob die Weisung rechtmäßig war. Durch den Verzicht auf offizielle Weisungen findet im Prinzip keine Eigenkontrolle statt, es bleibt nur noch die parlamentarische Kontrolle und letztlich der Untersuchungsausschuss. So lange die Landtagsmehrheit am politischen Weisungsrecht festhält, wäre es deshalb transparenter, wenn des Öfteren in strittigen Fällen, in denen Besprechungen und Diskussionen kein einhelliges Ergebnis gebracht haben, vom Weisungsrecht Gebrauch gemacht würde. Damit würde die übergeordnete Instanz, sei es die Generalstaatsanwaltschaft, sei es das Ministerium, einerseits sichtbar Verantwortung übernehmen; andererseits eröffnete das den untergebenen Beamtinnen und Beamten die Möglichkeit, Angelegenheiten durch eine dritte Instanz prüfen zu lassen. Das würde die jeweilige Verantwortung besser sichtbar werden lassen.

Ausblick
Dies war die letzte Sitzung des Untersuchungsausschusses „Labor“ mit Zeugeneinvernahmen. Die Fraktionen machen sich nun daran, den Schlussbericht vorzubereiten. Der Untersuchungsausschuss soll voraussichtlich noch vor der Sommerpause 2016 vollständig abgeschlossen sein.

Ankündigung der 38. Sitzung des UA Labor

Am Dienstag, den 05.04.2016 findet die letzte Zeugeneinvernahme des Untersuchungsausschusses „Labor“ statt. Geladen sind Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Winfried Bausback. Der Innenminister wird uns als oberster Chef der bayerischen Polizei erklären müssen, welche Konsequenzen aus der Affäre rund um die „SoKo Labor“ gezogen wurden.
Im Verlauf des Untersuchungsausschusses wurde deutlich, dass die rechtlichen Möglichkeiten zur Eindämmung des Betruges bei der Abrechnung von Speziallaborleistungen bisher nicht ausgeschöpft wurden. Wir möchten deshalb von Justizminister Bausback wissen, ob und welche bayerischen Initiativen diesbezüglich geplant sind. Ein weiteres Thema wird die Falschinformation des Parlaments und der Öffentlichkeit durch das Justizministerium im Jahr 2014 sein, unter anderem im Zusammenhang mit dem Fall Denk.
Verfolgen Sie @GrueneLandtagBY und @SeppDuerr auf Twitter, um während der Sitzung auf dem Laufenden zu bleiben.

Merk sagt nichts, weiß nichts, tat nichts

37. Sitzung des UA Labor
In der vorletzten Sitzung des Untersuchungsausschusses „Labor“ musste die ehemalige Justizministerin Beate Merk aussagen. Sie war in Zeiten der „Laboraffäre Schottdorf“ als Justizministerin letztverantwortlich für Entscheidungen der ihr untergeordneten staatsanwaltschaftlichen Behörden. Formell also eine der wichtigsten Zeuginnen, de facto aber nicht nur als Zeugin ein Totalausfall. Denn zum einen berief sich Merk hauptsächlich auf umfassende Erinnerungslücken. Sie könne durch die intensive Medienberichterstattung rund um den Untersuchungsausschuss nicht mehr auseinanderhalten, was sie wann wusste. Wir haben dennoch versucht ihr mit Aktenvorhalten auf die Sprünge zu helfen. Leider größtenteils vergeblich. Zum anderen wurde immerhin deutlich, dass sie kaum etwas getan hat, um ihre Ressortverantwortung wahrzunehmen. Deshalb gab es ohnehin nur wenig, woran sie sich hätte erinnern können.

Keine Kontrolle, keine Verantwortung
Ihr Motto als Justizministerin war: Information ja, Weisung nein. Sie wollte über wichtige Fälle allenfalls informiert werden, sich aber keinesfalls einmischen. Sie hätte der Arbeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der ihr untergeordneten Behörden vertraut. Eingeschritten wäre sie nur, wenn ihr etwas nicht als „lege artis“, also als rechtswidrig vorgekommen wäre. Grundsätzlich ein ehrenwerter Vorsatz. Denn wir Grünen drängen seit langem darauf, dass Staatsanwaltschaften selbstverantwortlich arbeiten können und keine, besonders nicht politisch gefärbte, Weisungen ihre Arbeit behindern. Aber auch ihre Arbeit muss von jemandem kontrolliert werden. Solange die Staatsanwaltschaften in Bayern immer noch weisungsabhängig sind, ist das Justizministerium die letzte Kontrollinstanz, die gegebenenfalls auch korrigierend eingreifen muss. Ein Paradebeispiel ereignete sich in der „Laboraffäre Schottdorf“. Hier liefen zwei Staatsanwaltschaften des gleichen Bezirkes, Augsburg und München I, in völlig gegensätzliche Richtungen und das mit Billigung bzw. auf Anweisung der Generalstaatsanwaltschaft München. Diese kam demnach ihrem Auftrag, für Rechtsgleichheit im Bezirk zu sorgen, nicht nach. Zwar waren die Entscheidungen – in einem Fall Anklage und Verurteilung wegen Betruges, in hunderten gleichgelagerten Fällen Einstellung – jeweils für sich betrachtet „vertretbar“, aber in der Gesamtschau ereignete sich hier ein krasser Fall von Ungleichbehandlung. In diesem Fall hat die ehemalige Justizministerin ihre politische Verantwortung sträflich vernachlässigt. Sie hätte zumindest dafür sorgen müssen, dass die Augsburger Fälle durch verjährungsunterbrechende Maßnahmen auf Eis gelegt werden, um sie nach der höchstrichterlichen Entscheidung noch verfolgen zu können. Aber sie hat die Generalstaatsanwaltschaft noch nicht mal zur Rechenschaft gezogen, vermutlich weil sie den Fall überhaupt nicht vorgelegt bekam.

Schwammige Vorgaben der Ministerin
Wie hätte Merk auch merken sollen, dass hier etwas völlig schief läuft? Grundsätzlich endete die Berichtskette nämlich bei ihrer Büroleitung im Ministerbüro. Diese entschied dann, was die Ministerin zur Kenntnis bekam. Die ihr Untergebenen hatten also selber zu entscheiden, ob und wann sie von der Ministerin kontrolliert werden sollten. Als ob das noch nicht absurd genug wäre, war das wohl einzige Kriterium, nachdem entschieden wurde, ob etwas berichtenswert war, die Medienrelevanz: Könnte ein Thema in die Presse kommen oder war ein Thema bereits in der Presse, so dass die Möglichkeit bestand, dass die Ministerin in der Öffentlichkeit darauf angesprochen werden könnte. So ist keine ernsthafte Kontrolle und Ausübung des Ministeramtes möglich.
Bayern braucht keine Ministerin, die nicht regieren will und nur auf die Medien schielt. Merk hat ihre Schuldigkeit als Ministerin nicht getan, Merk muss gehen.

Ankündigung der 37. Sitzung des UA Labor

Am Dienstag, den 15.03.2016 muss Ex- Justizministerin Beate Merk dem Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen. Eine zentrale Rolle wird die Behauptung spielen, dass es keine Einflussnahme auf die Staatsanwaltschaft im Betrugsverfahren rund um das Labor Schottdorf gegeben habe. Eine Aussage, die so nicht mehr haltbar ist.
Eine der Kernfragen ist auch: Wie viel bekam die letztverantwortliche damalige Justizministerin überhaupt von wichtigen Vorgängen in ihrem Ministerium mit?  Wie sie zu den Vorwürfen steht, dass sie in ihrer Zeit als Ministerin eine Vogel- Strauss- Politik betrieb und offenbar möglichst wenig wissen wollte, wird sie am kommenden Dienstag beantworten müssen.

Verfolgen Sie @GrueneLandtagBY und @SeppDuerr auf Twitter, um während der Sitzung auf dem Laufenden zu bleiben.

Newsletter 01/ 2016

Unseren ersten Newsletter im neuen Jahr zum UA Labor finden Sie hier. Themen: Schottdorfs erfolglose Unterlassungsklage gegen uns, Aussage der ehemaligen Justizministerin Beate Merk kommende Woche, Untersuchungsausschuss auf der Zielgeraden. Hier können Sie den Newsletter abonnieren.

Ermittlungen ins Blaue hinein: Dehnbare Definition des „Anfangsverdachtes“

35. Sitzung des Untersuchungsausschusses „Labor“
Der Untersuchungsausschuss „Labor“ musste sich jetzt mit  zwei Fällen beschäftigten, in denen die Staatsanwaltschaft zunächst eine äußerst „kreative“ Begründung fand, um nach Anzeigen von Seiten Schottdorfs Ermittlungen gegen dessen Kritiker einzuleiten, und diese dann auch noch unnötig in die Länge zog. Ermittlungen werden, so steht es im Gesetz, durchgeführt, wenn es zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat gibt. Dieser sogenannte Anfangsverdacht ist allerdings äußerst dehnbar definiert. Deshalb lässt sich die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wohl in den meisten Fällen irgendwie begründen. Deshalb sollte eine mögliche Fehleinschätzung über das Vorliegen eines Anfangsverdachtes dadurch korrigiert werden, dass Ermittlungen sofort eingestellt werden, wenn er sich nicht erhärten sollte. Aber genau das hat die Staatsanwaltschaft in diesen zwei Fällen unterlassen.

„Dienst nach Vorschrift“: Der Fall Mahler
Man stelle sich vor ein Polizist macht seine Arbeit. Er wertet ein Beweisstück aus und schreibt einen Ermittlungsbericht dazu. Allerdings irrt er sich dabei und sieht fälschlicherweise Anhaltspunkte für eine Straftat gegeben. Der Irrtum wird rechtzeitig bemerkt. Dennoch wird gegen den Polizisten wegen „Verfolgung Unschuldiger“ ermittelt (§ 344 Abs. 1 StGB). Dabei  setzt dieser Tatbestand voraus, dass ein Staatsbeamter einen Unschuldigen absichtlich oder wissentlich strafrechtlich verfolgt. Ganz offensichtlich nicht gemeint sein kann damit die alltägliche Polizeiarbeit, bei der leider auch Fehler passieren können. Trotzdem wurde der LKA-Beamte Robert Mahler genau deswegen von Schottdorf angezeigt. Die Staatsanwaltschaft München I folgte dem Wunsch Schottdorfs und leitete prompt Ermittlungen gegen den Beamten ein. Unter anderem aufgrund dieses Verfahrens wurde auch ein Disziplinarverfahren eröffnet, das die Regelbeförderung Mahlers aussetzte. Die „Ermittlungen“ liefen dann zwei Jahre, in denen praktisch nichts geschah. Man habe, so versuchte es der damals zuständige Staatsanwalt zu erklären, auf das Urteil des Bundesgerichtshofes im „Pilotverfahren“ gewartet. Aber dieses hat mit dem Tatvorwurf gegen Mahler nichts zu tun, weil etwa das falsch interpretierte Beweisstück dabei überhaupt keine Rolle spielte. Und schon gar nicht konnte sich dabei herausstellen, ob Schottdorf „unschuldig“ im Sinne des § 344 Abs. 1 StGB war, denn er war in diesem Verfahren überhaupt nicht angeklagt. Die Staatsanwaltschaft hätte stattdessen schon vor Einleitung eines Verfahrens gegen Mahler prüfen müssen, ob er bei der Auswertung der Beweismittel nicht davon ausgehen konnte, dass eine Straftat vorlag und er Schottdorf absichtlich und wider besseres Wissen etwas unterstellt hat. Nur das wäre der springende Punkt gewesen.
Die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft in diesem Fall ist völlig absurd. Ließe man nämlich, wie sie das getan hat, bei der Vorprüfung, ob ein Anfangsverdacht wegen Verfolgung Unschuldiger vorliegen könnte, den subjektiven Teil, also den Vorsatz, völlig außer Acht, könnte man immer nachträglich gegen Beamtinnen und Beamten der Strafverfolgungsbehörden Ermittlungen wegen dieser Straftat einleiten, wenn sich der Anfangsverdacht in den von ihnen untersuchten Fällen nicht erhärtet hat. Das ist natürlich offensichtlicher Quatsch.

Geheimdienstgeschichten: Staatsanwalt hält Journalisten für 007
Noch absurder stellte sich die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Journalisten Denk wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB) dar. Denk hatte vor Gericht behauptet, über vertrauliche Unterlagen zu einem Spendenvorgang zu verfügen. Schottdorfs Anwälte warfen ihm daraufhin vor, dass er ihren Faxverkehr abgehört habe, weil er nur so in den Besitz einer Scheckkopie an den ehemaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber habe kommen können. Auch diesen Vorwurf übernahm die Staatsanwaltschaft München I ungeprüft und leitete noch am selben Tag Ermittlungen ein. Sie prüfte weder, ob Denk überhaupt behauptet hatte, diesen Scheck zu besitzen, noch verschwendete sie einen Gedanken daran, ob und wie das technisch möglich sein sollte oder ob Denk selbst dazu überhaupt in der Lage wäre. Seit der NSA- Affäre, so versuchte man sich uns gegenüber mehrfach zu rechtfertigen, sei ja alles denkbar. Außerdem verfüge Denk über ein Telefon. Lächerlicher geht es kaum.
Die erst ein Jahr später mit Ermittlungen beauftragte Polizei erkannte die Absurdität dieser Vorwürfe allerdings sofort und wollte das Verfahren einstellen. Schnell wurde auch klar, dass die von Denk erwähnten Akten aus dem Bestand der „SoKo Labor“ stammten. Aber statt die Ermittlungen gegen Denk sofort einzustellen, konzentrierte sich die Staatsanwaltschaft danach auf „Maulwurf“-Suche, also darauf, gegen LKA-Beamtinnen und Beamte wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen und gegen Denk wegen Anstiftung dazu zu ermitteln.
Das allerdings wollen die Justizbehörden dem Landtag gegenüber bis heute vertuschen. Obwohl inzwischen durch Akten, die dem Untersuchungsausschuss vorliegen, und Zeugenaussagen sicher festgestellt wurde, dass gegen Denk wegen des umstrittenen Vorwurfs der Anstiftung zum Verrat von Dienstgeheimnissen tatsächlich ermittelt wurde, will man uns immer noch das Gegenteil weismachen. Man habe sich nur gedanklich mit dem Vorwurf auseinandergesetzt, in diese Richtung aber nicht ermittelt. Dreister geht es kaum!
Überhaupt nicht erklären konnten uns die Staatsanwälte, warum das Verfahren gegen Denk erst nach knapp vier Jahren eingestellt wurde, obwohl die damit beauftragte Polizei immer wieder darauf drängte, die Ermittlungen sofort einzustellen. Denn bei allen Versuchen haben sich im Laufe der Jahre keine neuen Anhaltspunkte ergeben, wie Denk an die Dokumente gekommen sein könnte.
Denk hat nun dem Ausschuss ausführlich geschildert, wie skurril und komisch sich das tatsächlich zutrug.

Mein Name ist Beate Merk und ich weiß von nichts
Welche Funktion hatte eigentlich die frühere Justizministerin Beate Merk? Diese Frage konnte man sich im Untersuchungsausschuss am Dienstag dieser Woche berechtigterweise stellen. Ihre ehemalige Büroleiterin sagte aus, dass Merk die strikte Weisung ausgab, dass sie sich nicht in einzelne Verfahren einmischen und von diesen auch nicht unterrichtet werden wolle. Sie wollte aber auch nicht von brisanten Fällen zuerst aus der Presse erfahren, weshalb ihr diese dann möglichst davor berichtet werden sollten. Irgendwo zwischen diesen schwammigen Vorgaben musste sich die Büroleiterin bewegen. Relevantes Kriterium für eine Berichterstattung war offenbar nicht, ob es um Wichtiges ging oder Probleme gab, sondern ob die Medien davon Wind bekamen oder zu bekommen drohten. Üblicherweise endete die Berichtskette deshalb im Ministerbüro, nicht bei der Ministerin. Merk weigerte sich offenbar auch eine eigene Bewertung von Rechtsfragen vorzunehmen; sie verließ sich voll und ganz auf ihre Fachabteilungen.
Leitung und Verantwortung für das Justizministerium liegt nun mal bei der jeweiligen Justizministerin oder dem Justizminister. Um sie wahrnehmen zu können, müssen diese zumindest über bedeutende Verfahren informiert sein, weil sie sonst ihre Fach- und Dienstaufsicht nicht ausüben können. Damit haben wir bestätigt, dass im Justizministerium unter Merk ein machtpolitisches Vakuum herrschte.

Ankündigung der 35. Sitzung des UA Labor

Von den Befragungen dieser Sitzung erhoffen wir uns, im Verlaufe des Untersuchungsausschuss aufgedeckte Ungereimtheiten aufzuklären, so z.B. Lügen und Halbwahrheiten aufzudecken, mit denen die Regierung versucht hat, den Landtag und die Öffentlichkeit im Fall des Journalisten Denk hinters Licht zu führen.
Desweiteren werden wir versuchen das Versagen der ehemaligen Justizministerin durch die Einvernahme einer früheren Ministerbüroleiterin genauer herauszuarbeiten.

Dreiste Lügen im Untersuchungsausschuss

34. Sitzung des UA „Labor“
Seit der letzten Sitzung ist jeder Zweifel ausgeräumt: Gegen den Journalisten Denk hat die Staatsanwaltschaft auch wegen der Anstiftung zum Verrat von Dienstgeheimnissen ermittelt. Zum wiederholten Male haben wir also die Regierung dabei ertappt, dass sie den Bayerischen Landtag anlügen ließ. Man war sich auch nicht zu schade, die Lügen im Untersuchungsausschuss zu wiederholen, die man uns vor zwei Jahren schon im Verfassungsausschuss aufgetischt hatte. Der Journalist war im Besitz von Unterlagen, die nur aus dem BLKA stammen konnten. Wie er sie bekommen hat, ist bis heute nicht geklärt.

Angriff auf die Pressefreiheit
Zunächst war Denk vorgeworfen worden, dass er den E-Mail oder Faxverkehr abgehört haben sollte. Als den Ermittlern der Staatsanwaltschaft München I irgendwann auch auffiel, wie absurd der Vorwurf war, überlegten sie sich flugs eine Alternative: Denk sollte Beamtinnen oder Beamte des BLKA zur Herausgabe der Dokumente angestiftet haben. Dieser Vorwurf gegen einen Journalisten ist nicht erst seit dem Cicero-Urteil des Bundesverfassungsgerichts kritisch zu sehen. Denn der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Presse und Informanten “ist unentbehrlich, da die Presse auf private Mitteilungen nicht verzichten kann, diese Informationsquelle aber nur dann ergiebig fließt, wenn sich der Informant grundsätzlich auf die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses verlassen kann”. Dies wird garantiert durch das Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 Grundgesetz). Auch Polizei und Staatsanwaltschaften müssen dieses Grundrecht und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im Hinterkopf haben, bevor sie überhaupt Ermittlungen gegen Journalisten einleiten.

Generalstaatsanwaltschaft will Whistleblower einschüchtern
Selbstverständlich kennt man das Urteil auch in Bayern und war sich der Brisanz des Vorwurfes bewusst. So versuchte man zunächst abzustreiten, dass gegen Denk wegen dieses Tatvorwurfes überhaupt ermittelt wurde. Nur gegen die BLKA-Mitglieder wäre man wegen des Vorwurfes des Verrats von Dienstgeheimnissen vorgegangen. Als die Beweislast in den Sitzungen des Untersuchungsausschusses zu erdrückend wurde, da es zahlreiche Dokumente in den Akten gibt, in denen der Vorwurf der Anstiftung gegen Denk schwarz auf weiß steht, redete man sich damit heraus, dass es ja keine Ermittlungshandlungen in diese Richtung gegeben habe.
Die Zeugenaussage des damals zuständigen Ermittlers beim Polizeipräsidium Mittelfranken belegt das Gegenteil: Dieser wurde angewiesen eine Beschuldigtenvernehmung mit Denk durchzuführen und Zeitungsartikel auszuwerten, um Hinweise auf Kontakte Denks mit BLKA- Beamtinnen und Beamten zu finden. Beide Ermittlungsaufträge waren ausdrücklich auf den Tatvorwurf der Anstiftung zum Verrat von Dienstgeheimnissen gerichtet, denn das Abhören des E- Mail und Faxverkehrs war damals schon lange vom Tisch. Dass die diesbezüglichen Ermittlungen lange nicht eingestellt wurden, ist offenbar Teil einer Einschüchterungskampagne gegen mögliche Whistleblower innerhalb der bayerischen Behörden.

Kritiker mit Strafverfahren überzogen
Ein weiterer brisanter Umstand wurde durch die Aussage eines ehemaligen juristischen Referentens im Innenministerium offenbar: Von Seiten des BLKA und der Staatsanwaltschaft wurde immer wieder betont, dass sich die Ermittlungen in den Reihen des BLKA gegen Unbekannt richteten. Man hätte unvoreingenommen versucht herauszufinden, wer aus dem BLKA die Informationen an Denk herausgegeben und sich damit des Verrats von Dienstgeheimnissen strafbar gemacht haben könnte. Dazu passte schon bisher nicht, dass zu Beginn der Ermittlungen lediglich von drei ehemaligen Mitgliedern der „SoKo Labor“ die sogenannten Home-Laufwerke ausgelesen wurden. Auf die Beamten Sattler und Mahler habe man sich konzentriert, weil sie „auffällig“ geworden seien. Nun bestätigte der Zeuge aus dem Innenministerium, dass Sattler und Mahler zwar nicht als „Beschuldigte“, aber als alleinige „Tatverdächtige“ eingetragen wurden. Deshalb richteten sich zunächst sämtliche Ermittlungshandlungen in dem Fall gegen sie. Einziger Grund war, dass sie schon vorher durch Beschwerden oder Strafanzeigen aus dem Lager Schottdorf „unangenehm“ aufgefallen waren. Andere Anhaltspunkte für den Verdacht gab es nicht.

Zusätzliche Zeugen
In der zurückliegenden Sitzung des Untersuchungsausschusses haben wir einen Antrag zur Ladung weiterer Zeuginnen und Zeugen gestellt, deren Einvernahmen wir für die Klärung noch offener Fragen für unabdingbar halten. Zum einen soll der im Pilotverfahren sitzungsleitende Staatsanwalt für Aufklärung bezüglich Rückforderungen privater Krankenkassen sorgen, deren Kenntnis die Regierung bislang abstritt. Desweiteren wollen wir durch die Ladung einer Ministerbüroleiterin der ehemaligen Justizministerin Beate Merk weiter herausarbeiten, wie groß das Machtvakuum war, das sie durch ihre „Vogel- Strauss- Politik“ geschaffen hat.
Auch an den ehemaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber haben wir noch Fragen. Er soll sie aber schriftlich beantworten, so dass wir uns das sonst damit einhergehende Spektakel ersparen können.

Untersuchungsausschuss auf Zielgeraden

Ausblick auf die kommenden Befragungen
Der Untersuchungsausschuss „Labor“ geht in den nächsten Monaten in die letzte Befragungsrunde. Wir haben uns dafür noch einiges vorgenommen. In erster Linie wollen wir den in den bisherigen Sitzungen erlangten Hinweisen nachgehen und unsere Erkenntnisse weiter mit Beweisen unterfüttern.
Außerdem hat ja, wie in den Medien zu lesen war, das Amtsgericht Augsburg die Schottdorfs im sogenannten Konzernverfahren freigesprochen. Dieses Verfahren, die darin vorgetragenen Vorwürfe und damit auch das Urteil, betreffen unseren Untersuchungsausschuss nicht. Denn dort steht, anders als im Untersuchungsausschuss, nicht das Vorgehen und Fehlverhalten der staatlichen Behörden im Mittelpunkt. Das Verfahren wurde einvernehmlich Anfang 2008 nach Augsburg abgegeben, weit vor und unabhängig von den Fehlentscheidungen in Sachen Abrechnungsbetrug bei Speziallaborleistungen.

„Konzernverfahren“ betrifft Untersuchungsausschuss nicht
Das Konzernverfahren betrifft ausschließlich den kassenärztlichen Bereich, während wir Laborabrechnungen von Ärzten gegenüber Privatpatienten im Blick haben. Während man Schottdorf im Konzernverfahren eventuell zugutehalten kann, dass hier ein findiger Unternehmer die rechtlichen Möglichkeiten bis aufs Äußerste ausgereizt hat, gab es in unserem Fall nie einen Zweifel daran, dass das in Frage stehende Abrechnungsmodell illegal war – und nach dem Urteil des BGH auch definitiv Klarheit darüber, dass es strafbar war. Ein zentraler Kritikpunkt unserer Untersuchungen ist die vom Konzernverfahren völlig unabhängige Frage, warum die bayerischen Justizbehörden zweierlei Maß angewendet und ein Pilotverfahren zum BGH gebracht, aber gleichzeitig Hunderte vergleichbarer Fälle eingestellt oder verjähren haben lassen, so dass ein Arzt verurteilt, alle anderen aber laufen gelassen wurden.
Ein zweiter Kritikpunkt besteht darin, dass wir der Regierung vorwerfen, im Laborbereich keine Nachbesserungen der Rahmenbedingungen des Gesundheitssystems auf den Weg gebracht zu haben, obwohl sie eine Vielzahl von Hinweisen auf die Notwendigkeit derartiger Nachbesserungen hatte, also darauf dass Ärzte und Laborärzte das Abrechnungssystem dazu genutzt haben, zu Lasten von Patientinnen und Steuerzahlern illegale Gewinne einzustreichen. Dass das Labor Schottdorf jahrelang Einsendeärzten erhebliche Preisnachlässe gewähren konnte und offensichtlich dennoch kostendeckend und gewinnorientiert arbeitete, zeigt, dass Speziallaborleistungen für Privatversicherte deutlich überteuert sind. Unsere gesundheitspolitische Kritik wurde vom Augsburger Gericht geradezu bestätigt, mit Aussage, das Abrechnungssystem sei nicht mal für Experten zu durchschauen. Der dem Freispruch zugrundeliegende Vorwurf des Gerichtes richtet sich auch gegen die Gesundheitspolitik: Sie habe zum einen für Rechtsunsicherheit gesorgt und es zum anderen „gewieften Experten“ wie Schottdorf ermöglicht, mit der Gesundheit von Menschen auf Kosten der Beitrags- und Steuerzahlerinnen und -zahlern viel Geld zu verdienen.

Bei den kommenden Befragungen werden wir uns auf folgende Schwerpunkte konzentrieren:

Rechtsauffassung geändert: Warum?

Das Ministerium und die Staatsanwaltschaft Augsburg waren Ende der 90er Jahre, die Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht Augsburg wieder 2004 der Rechtsauffassung, dass Falschabrechnungen Betrug sind. Warum ist man davon abgerückt von Straffreiheit ausgegangen?

Blackbox Gesundheitssystem
Das Gesundheitssystem wird von der Gesundheitspolitik mehrheitlich als finanzpolitische Blackbox behandelt, d.h. Hauptsache, das öffentliche Ausgabevolumen wird nicht gesteigert und der Leistungsumfang nicht zu sehr eingeschränkt, alles andere ist vernachlässigbar. Die Honorarverteilung innerhalb der Ärzteschaft ist deshalb kein völlig rechtsfreier, aber rechtsarmer Raum, Maßstab ist a) die Machtverteilung, b) die möglichst flächendeckende Versorgung. Niemand hat offenbar Interesse, Betrug abzustellen, solange er hilft, das System am Laufen zu halten. Warum hat die Regierung daraus keine Konsequenzen gezogen und Änderungen angeregt?

Whistleblower einschüchtern
In dieser Affäre zeigt sich immer wieder, dass die bayerischen Behörden sofort zur Stelle sind, wenn es darum geht, Kritiker möglichen Fehlverhaltens mundtot zu machen. Nicht zuletzt geht es ihnen darum, mögliche interne „Lecks“ zu stopfen. So wurde u.a. der Journalist Denk auf der Basis eines völlig absurden Vorwurfs mit einem langjährigen Verfahren überzogen. Das wurde auch dann nicht eingestellt, als Ermittlungen keinerlei Bestätigung erbrachten. Im Gegenteil hat man ihm dann auch noch Anstiftung zum Geheimnisverrat vorgeworfen, wiederum ohne jegliche Belege. Auffällig ist eine Häufung solcher Fälle in Zuständigkeit des jetzigen Generalstaatsanwalts Nötzel. Man denke nur an den Fall Bendixen, auch da wurde lediglich auf Basis einer Räuberpistole ermittelt. Gegenwärtig geht man gegen zwei Zollfahnder vor, denen vorgeworfen wird, die Ermittlungen gegen Gurlitt öffentlich gemacht zu haben. Ziel dabei ist offenbar, die eigenen Leute, also mögliche Presseinformanten einschüchtern.

Außerdem werden wir versuchen, die Hinweise darauf, dass Landtag und Öffentlichkeit von der Regierung und Behördenvertretern angelogen wurden, zu erhärten, und das offenbare Macht- und Kontrollvakuum im Justizministerium unter Frau Merk näher untersuchen. Dazu stellen wir in der morgigen Sitzung auch einen Beweisantrag. Für weitere Spannung ist also gesorgt.