38. Sitzung des UA „Labor“
Obwohl zwei amtierende bayerische Minister vor dem Untersuchungsausschuss „Labor“ Rede und Antwort stehen mussten, gab es nur eine relativ kurze Sitzung. Beiden gemeinsame Verteidigungslinie: Über den Tisch eines Ministers geht jeden Tag so viel, da könne man sich einfach nicht an Einzelheiten erinnern. Dafür möge sich der Landtag doch an die zuständigen Beamten wenden. Für Innenminister Herrmann waren die Querelen in und um die „SoKo Labor“ wohl auch eher ein alltäglicher, wenig bemerkenswerter Vorgang. Es gehöre eben zum Polizeialltag, dass die Staatsanwaltschaft auch mal Entscheidungen über Ermittlungen treffe, die den Ermittlerinnen und Ermittlern nicht gefallen. Dies ist grundsätzlich richtig. Allerdings kann von einer modernen Führung erwartet werden, dass die Ermittlerinnen und Ermittler rechtzeitig über Angelegenheiten, die sie unmittelbar betreffen, umfassend informiert und einbezogen werden. Und genau dies ist im bayerischen Landeskriminalamt im Fall Schottdorf nicht geschehen.
Herrmann: Aus Schaden nicht klug geworden
Der Innenminister wollte allerdings nichts davon wissen, dass die massiven Verwerfungen in SoKo und LKA auch von einem vormodernen Führungsstil begünstigt wurden. So wurde beispielsweise dem LKA-Ermittler Sattler zunächst noch zugesichert, dass er Leiter der „SoKo Labor“ bleiben werde, um ihn dann kurz darauf ohne Vorwarnung abzusetzen. Vorgänge wie diese führten zu verständlichem Ärger im LKA, der sich zunächst in internen Beschwerden Luft verschaffte. Als die betroffenen Beamten nach Jahren immer noch auf taube Ohren stießen und das Misstrauen weiter wuchs, wandten sie sich letztlich an die Öffentlichkeit. Auf die Frage, ob man im Innenministerium und bei der Polizei daraus gelernt habe, berief sich Herrmann darauf, dass das LKA ja nun einen neuen Präsidenten habe und man sich auch mit der Führungskultur intensiv auseinandergesetzt habe. Offenbar war dies als Distanzierung von dem ehemaligen Präsidenten des LKA, Peter Dathe, gemeint. Letztlich ist das zu wenig. Der Innenminister als oberster Dienstherr hätte frühzeitig und ernsthaft prüfen müssen, was im LKA so massiv schief lief. Diese Verantwortung kann er nicht nachträglich auf andere abwälzen.
Bausback: Keine „aktive“ Erinnerung, keine aktive Kontrolle
Justizminister Bausback stellte von vornherein klar, dass die relevanten Vorgänge rund um die „Affäre Schottdorf“ längst abgeschlossen waren, als er im Herbst 2013 Justizminister wurde. An das meiste, was in diesem Zusammenhang danach hochkochte, habe er leider „keine aktive Erinnerung“ mehr. Er weigerte sich auch, Falschinformationen von Parlament und Öffentlichkeit unter anderem im Verfassungsausschuss des bayerischen Landtages am 22.05.2014 zu kommentieren und korrigieren. Obwohl er sich in dieser Sitzung wegen eines Bundesratstermins lediglich vertreten ließ, wollte er zu den falschen Behauptungen, dass „kein Patient geschädigt“ worden und dem Justizministerium Rückforderungen von Versicherungen nicht bekannt geworden seien, nicht Stellung nehmen. Auch das ein Beispiel für die unschöne Art, Verantwortung für offensichtliche Fehler im Nachhinein auf Untergebene abzuwälzen.
Vermeidung von Verantwortung
Insgesamt verfestigte sich durch die beiden Ministereinvernahmen der Eindruck, dass diese – zwar auf ihre je eigene Art, aber im Ergebnis wie die frühere Justizministerin Merk – vor allem darauf bedacht sind, keine Verantwortung zu übernehmen, weil man sich dadurch angreifbar machen kann. Sie schrecken förmlich vor ihrer Ministerkompetenz, der Pflicht zur Kontrolle und dem Recht, zu führen und im Zweifel korrigierend einzugreifen, zurück und verlassen sich lieber darauf, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon wissen, was sie zu tun haben. Diese gelebte Verantwortungslosigkeit führen die untergeordneten Behörden dann ihrerseits fort. So machte die Generalstaatsanwaltschaft München der Staatsanwaltschaft München I nur „Vorschläge“. Auch sie sprach keine beamtenrechtlich verbindlichen, schriftlichen Weisungen aus. „Vorschläge“ der Generalstaatsanwaltschaft sind aber keine Vorschläge, die man auch hätte ablehnen können. Die untergebenen Beamtinnen und Beamten werden so in die Ecke gedrängt. Dagegen vorgehen können sie allerdings nicht. Hätten sie stattdessen eine schriftliche Weisung bekommen, hätte ihnen die Möglichkeit offen gestanden dagegen zu remonstrieren. Eine übergeordnete Behörde müsste dann prüfen, ob die Weisung rechtmäßig war. Durch den Verzicht auf offizielle Weisungen findet im Prinzip keine Eigenkontrolle statt, es bleibt nur noch die parlamentarische Kontrolle und letztlich der Untersuchungsausschuss. So lange die Landtagsmehrheit am politischen Weisungsrecht festhält, wäre es deshalb transparenter, wenn des Öfteren in strittigen Fällen, in denen Besprechungen und Diskussionen kein einhelliges Ergebnis gebracht haben, vom Weisungsrecht Gebrauch gemacht würde. Damit würde die übergeordnete Instanz, sei es die Generalstaatsanwaltschaft, sei es das Ministerium, einerseits sichtbar Verantwortung übernehmen; andererseits eröffnete das den untergebenen Beamtinnen und Beamten die Möglichkeit, Angelegenheiten durch eine dritte Instanz prüfen zu lassen. Das würde die jeweilige Verantwortung besser sichtbar werden lassen.
Ausblick
Dies war die letzte Sitzung des Untersuchungsausschusses „Labor“ mit Zeugeneinvernahmen. Die Fraktionen machen sich nun daran, den Schlussbericht vorzubereiten. Der Untersuchungsausschuss soll voraussichtlich noch vor der Sommerpause 2016 vollständig abgeschlossen sein.