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Untersuchungsausschuss zeigt bei Söder Wirkung

Pressemitteilung vom 01.12.2016

„Nachdem Finanzminister Söder beim Abrechnungsbetrug durch Ärzte zu Lasten der Beihilfe über Jahre tatenlos zugesehen hat, handelt er endlich.

Wir Grüne haben im Schottdorf-Untersuchungsausschuss immer wieder diese Missstände aufgezeigt und Herrn Söder so zum Handeln gezwungen“, erklärt Dr. Sepp Dürr, grünes Mitglied im bereits beendeten Untersuchungsausschuss Labor, und verweist auf eine grüne Anfrage. „Der Finanzminister und die Beihilfestellen haben als Kontrollinstanzen versagt – Das kam im Untersuchungsausschuss deutlich heraus: Herr Söder hat bewusst weggesehen, die staatlichen Beihilfestellen waren Betrug hilflos ausgeliefert und die Steuerzahlerinnen und -zahler wurden um Millionenbeträge betrogen.“

Die Landtags-Grünen forderten immer wieder, zuletzt im Minderheitenbericht, eine Digitalisierung der Abrechnungsprüfung, geeignete Prüfsoftware und mehr Personal. Seit Juni 2016 arbeiten laut Finanzministerium nun alle bayerischen staatlichen Beihilfestellen vollständig im neuen digitalen Beihilfebearbeitungsverfahren. Sepp Dürr: „Ein erster Schritt in die richtige Richtung. Der Untersuchungsausschuss Labor zeigt Wirkung – Söder hat dem Druck nachgegeben“

Generalstaatsanwaltschaft gängelt, steuert und greift ein

In den zwei vergangenen Sitzungen kam der Untersuchungsausschuss der Wahrheit einen großen Schritt näher. Besonders brisant war die Aussage des derzeitigen Präsidenten des Landgerichtes München II, Christian Schmidt-Sommerfeld. Er war in den Jahren 2003 bis 2009 Behördenleiter der Staatsanwaltschaft München I und damit der oberste Chef des zunächst zuständigen Staatsanwalts Harz. Schmidt- Sommerfeld, 66 Jahre alt, renommierte Persönlichkeit und ausgezeichneter Jurist, war bei seiner Aussage ungewöhnlich offen und benannte klar die Eingriffe der Generalstaatsanwaltschaft im Fall „Schottdorf“.

Keine guten Gründe für Abgabe nach Augsburg
Bis heute ist für ihn besonders schwer nachvollziehbar, warum im Herbst 2008 alle Fälle – bis auf das Pilotverfahren und einen kleineren Fall – zur Staatsanwaltschaft Augsburg gingen. Von Seiten des Justizministeriums und der Generalstaatsanwaltschaft München war bisher immer geäußert worden, dass die Staatsanwaltschaft Augsburg originär für diese Betrugsfälle zuständig gewesen sei. Dieser Auffassung traten sowohl Harz, seine ehemalige Kollegin und heutige Oberstaatsanwältin Hildegard Bäumler-Hösl und nicht zuletzt auch Schmidt-Sommerfeld entschieden entgegen.
Juristisch gesehen, wird die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaften zunächst nach dem Tatort bzw. dem Wohnort der Täterin oder des Täters entschieden. Im Fall der betroffenen Münchner Ärztinnen und Ärzte lag also die Zuständigkeit eindeutig bei der Staatsanwaltschaft München I. Eine Zuweisung aller Fälle zur Münchner Staatsanwaltschaft, um diese zentral bearbeiten zu lassen, wäre möglich gewesen, wurde aber als unnötig verworfen, da sich für alle dort bearbeiteten Fälle eine originäre Zuständigkeit herleiten ließ. Geplant war lange, die einzelnen Fälle, je nach Wohnort der betroffenen Ärztin oder des betroffenen Arztes, an die zuständigen Staatsanwaltschaften im ganzen Bundesgebiet abzugeben. Eine Abgabe aller Fälle nach Augsburg wurde erst im Herbst 2008 zum Thema. In diesem Zusammenhang wurde von den Zeugen immer wieder eine Intervention von Schottdorfs Anwalt Gauweiler als Auslöser genannt. Denn davor war zwar das sogenannte „Konzernverfahren“ nach Augsburg abgegeben worden, allerdings mit dem Hintergrund, dass dabei im Zentrum der Ermittlungen nur das in Augsburg befindliche Labor Schottdorf stand. Überzeugende Gründe für die Abgabe der Münchner Verfahren nach Augsburg hat Schmidt- Sommerfeld, nach eigener Aussage, bis heute nicht gehört.  Zu diesem Zeitpunkt, da diese Fälle so gut wie ausermittelt waren, sei eine Abgabe auch äußerst inneffektiv gewesen bzw., wenn man eine Einstellung für gut befand, so Schmidt-Sommerfeld, „sehr effektiv“.

„Ungewöhnliche“ Eingriffe
Als besonders „ungewöhnlich“ empfunden wurde von den Zeugen die äußerst kurzfristige Ansage der Generalstaatsanwaltschaft an die Staatsanwaltschaft München I im Herbst 2008, dass Staatsanwältinnen und Staatsanwälte an einer bereits geplanten und kurz bevorstehenden Durchsuchung nicht teilnehmen dürften. Dies sorgte für Unmut innerhalb der Staatsanwaltschaft. Zu dieser Zeit lief nämlich auch das Siemens- Verfahren, die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte waren mehr als ausgelastet und mussten sich, nach Aussage von Bäumler- Hösl, die Zeit für die Durchsuchung förmlich „aus den Rippen schneiden und den Sachverhalt „reinbimsen“. In ihrer gesamten Zeit als Staatsanwältin hätte sie so einen Eingriff durch die Generalstaatsanwaltschaft noch nicht erlebt. Gerade in der Korruptionsabteilung sei es absolut gängig, dass die Staatsanwaltschaft bei der Durchsuchung mitgehe. Großer Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass sofort an Ort und Stelle Vernehmungen durchgeführt werden können, es also keine Möglichkeit zu Absprache gibt.
Auch Schmidt- Sommerfeld bestätigte, dass die Einmischungen der Generalstaatsanwaltschaft in diesem Fall sehr ungewöhnlich waren. Diese habe das Verfahren praktisch an sich gezogen und dabei ihn als Behördenleiter seit Anfang 2008 systematisch übergangen.

Verjährung bewusst in Kauf genommen
Schmidt- Sommerfeld und die Zeugin Bäumler-Hösl berichteten, übereinstimmend mit Harz, davon, dass es ab einem bestimmtem Zeitpunkt seitens der Generalstaatsanwaltschaft nicht mehr erwünscht war, Durchsuchungsbeschlüsse zu beantragen, Durchsuchungen durchzuführen  oder andere verjährungsunterbrechende Maßnahmen zu treffen.
Beispielsweise wurde Harz durch mündliche Weisung der Generalstaatsanwaltschaft die Versendung von Serienbriefen untersagt. In diesen Briefen wären die Ärztinnen und Ärzte darauf hingewiesen worden, dass gegen sie wegen Betruges ermittelt wird. Eine solche Maßnahme wurde von Seiten der Generalstaatsanwaltschaft im Verfassungsausschuss des Landtages am 22.05.2015 als impraktikabel dargestellt, auch mit dem Hinweis, dass dadurch Beweismittel verloren gehen könnten, wenn die Betroffenen so gewarnt würden und anfingen, Patientenakten zu vernichten. Dieser Argumentation folgte Schmidt-Sommerfeld nicht. Zunächst einmal geht er nicht davon aus, dass Ärztinnen und Ärzte berufsrechtswidrig Patientenakten vernichten. Selbst wenn es der eine oder andere gewagt hätte, hätte man die Rechnungen immer noch von Versicherungen, Beihilfestellen oder den Patientinnen und Patienten selbst anfordern können. Im Übrigen vertritt er die Ansicht, dass es auch nicht hätte schaden können, die Ärztinnen und Ärzte zu warnen, damit sie wenigstens nach Erhalt des Briefes die rechtswidrige Abrechnungsmethode sein lassen. So haben offenbar sehr viele Ärztinnen und Ärzte nicht mitbekommen, dass überhaupt gegen sie ermittelt wurde und es besteht die Gefahr, dass einige bis heute betrügerisch abrechnen. Deshalb kann Schmidt-Sommerfeld auch nicht nachvollziehen, weshalb man nicht die ärztlichen Berufsaufsichtsbehörden informierte. Schließlich melde die Staatsanwaltschaft Verstöße von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten gegen deren Berufsordnung immer sehr schnell der Rechtsanwaltskammer. All diese Maßnahmen wurden, nach Aussage von Schmidt-Sommerfeld, von der Generalstaatsanwaltschaft gestoppt. Er hatte den Eindruck, dass sie nicht „erwünscht“ waren. Damit ist klar, dass die Generalstaatsanwaltschaft München wissentlich und mit Einverständnis des Justizministeriums die Verjährung tausender Abrechnungsbetrügereien in Kauf genommen hat.

Generalstaatsanwaltschaft gegen Staatsanwaltschaft München I
Weshalb griff die Generalstaatsanwaltschaft ausgerechnet in diesem Verfahren so massiv ein? Ein Grund war die unterschiedliche Rechtsauffassung von Generalstaatsanwaltschaft und Staatsanwaltschaft München I. Während sich die Generalstaatsanwaltschaft auf den Standpunkt stellte, es würde sich bei den illegalen Abrechnungen nicht um Betrug handeln, vertrat die gesamte Staatsanwaltschaft München I die gegenteilige Ansicht. Der sachleitende Staatsanwalt Harz stützte diese Rechtsauffassung nicht nur auf ein großes Verfahren aus Frankfurt, einen Strafbefehl aus Hof und ein Urteil des Landgerichtes Regensburg, die alle von der Strafbarkeit ausgegangen waren. Zudem erarbeitete er umfangreiche, juristisch sauber durchgeprüfte detaillierte Vermerke, die sich mit den Bedenken der Generalstaatsanwaltschaft auseinandersetzten, um diese von seiner Ansicht zu überzeugen. Die wich aber nicht von ihrer Meinung ab. Bemerkenswerterweise ging sie dabei aber weder auf die Argumente von Harz ein noch brachte sie neue Gesichtspunkte vor.
Bisher war in Einlassungen von Ministerium und Generalstaatsanwaltschaft immer wieder durchgeklungen, Harz hätte eine abseitige Einzelmeinung gehabt, die gerade noch so „vertretbar“ gewesen wäre. Tatsächlich aber standen alle in der Staatsanwaltschaft München I mit der Sache befassten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte bis hinauf zum damaligen Behördenleiter Schmidt-Sommerfeld, geschlossen hinter Harz. Schmidt-Sommerfeld geht davon aus, dass er nach Januar 2008 von der Generalstaatsanwaltschaft deshalb nicht mehr in das Verfahren einbezogen wurde, weil bekannt war, dass er dieselbe Meinung wie Harz vertrat und durchaus „bockig“ sein konnte, wenn es darum ging diese gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft durchzusetzen.

Attacke auf den Staatsanwalt
Harz, ein hervorragender Jurist, der aufgrund seiner beeindruckenden Kenntnis der Rechtsprechung von seinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen sogar als „unser BGH“ bezeichnet wurde, arbeitete sich intensiv in das Verfahren ein. Zunächst ließ man ihn seitens der Generalstaatsanwaltschaft gewähren. Aber als das Ausmaß seiner Ermittlungen klarer wurde, hat sie ihm die Beantragung weiterer Durchsuchungsbeschlüsse untersagt. Es folgte die Abgabe des „Konzernverfahrens“ im Frühjahr 2008 nach Augsburg. Harz ließ aber nicht locker und wollte im Sommer 2008 eine weitere Durchsuchung durchführen, die schließlich im Herbst 2008 abgesagt wurde. Hinzu kam ein etwas unglücklich formulierte Brief der „SoKo Labor“ an den Verband der Privaten Krankenkassen, der eine Schadensersatzdrohung von Schottdorfs Anwalt Gauweiler auslöste. Unmittelbar danach, im Herbst 2008, kam es offenbar zum Stimmungsumschwung bei der Generalstaatsanwaltschaft. Offensichtlich wollte man Harz ab diesem Zeitpunkt von den Verfahren abziehen. Auch Schmidt-Sommerfeld bestätigte explizit den Eindruck, dass die weitere Bearbeitung durch Harz und die Durchsetzung seiner Rechtsmeinung nicht mehr erwünscht war. Deshalb ließ man Harz noch das Pilotverfahren zur Anklage bringen. Aber die anderen Fälle musste er an die Staatsanwaltschaft Augsburg abgeben, die schon im Vorfeld klargestellt hatte, dass sie die Rechtsauffassung von Harz nicht teile und die Verfahren nach Genehmigung durch die Generalstaatsanwaltschaft sofort einstellen würden.
Am Ende lud man Harz zur Besprechung seines Referates bei der Generalstaatsanwaltschaft und setzte ihm unrealistische Fristen zum Abschluss seiner Verfahren und machte deutlich, dass man sehr gerne seine sofortige Bewerbung ans Oberlandesgericht sehen würde.  Dieser enorme persönliche Druck zeigte – wie für seine Chefin auch für seine Kollegin – erkennbar Wirkung: Harz wehrte sich nicht mehr.
Die Ladung von Harz zum „Rapport“ bei der Generalstaatsanwaltschaft ist ein weiterer, höchst ungewöhnlicher Vorgang, den man so bei der Staatsanwaltschaft noch nicht kannte. Dies bestätigten übereinstimmend sowohl Bäumler-Hösl, die als Bürokollegin von Harz dessen Betroffenheit darüber unmittelbar mitbekommen hatte, wie auch Schmidt-Sommerfeld.

Angst vor den Ärzten
Als Hintergrund der Einmischungen der Generalstaatsanwaltschaft im Fall „Schottdorf“ kristallisiert sich immer mehr die Angst vor der mächtigen Ärztelobby heraus. Im Wahljahr 2008 hatte die CSU bereits großen Ärger mit dem Hausärzteverband – bis hin zu Plakataktionen und Streikdrohungen. Ein Verfahren wegen Abrechnungsbetruges gegen bis zu 10 000 Ärztinnen und Ärzten kam da wohl denkbar ungelegen. Man einigte sich also zähneknirschend auf ein einziges Pilotverfahren und verweigerte Harz flächendeckende Maßnahmen, um „die Pferde nicht scheu zu machen“, vermutete Schmidt-Sommerfeld. Dieser glaubt auch, dass bei der Entscheidungsfindung durch die Generalstaatsanwaltschaft mitgeschwungen haben könnte, dass Bernd Schottdorf bereits einmal freigesprochen worden war und im Zuge dessen umfangreiche Schadensersatzansprüche gegen den Freistaat Bayern geltend machte. Als dann im Herbst 2008 der Brief Gauweilers kam, der genau damit wieder drohte, sei wohl Feuer unter dem Dach der Generalstaatsanwaltschaft gewesen.
In der Staatsanwaltschaft München I dagegen war die Angst vor Schottdorf nicht so ausgeprägt. Ganz im Gegenteil wollte man anfangs die Klagefreudigkeit des Herrn Schottdorf sogar nutzen. Als dieser und ein paar andere Ärztinnen und Ärzte Beschwerde gegen die Durchsuchungen eingelegt hatten, erhoffte man sich, dass das Landgericht, das über diese entscheiden musste, auch Stellung zur Frage der Strafbarkeit nehmen würde. Das hätte auch eine Signalwirkung in Richtung der Generalstaatsanwaltschaft haben können. Aber diese Beschwerden wurden „seltsamerweise“, so Schmidt-Sommerfeld, zurückgezogen. „Seltsamerweise“ deshalb, weil Herr Schottdorf, sonst dafür bekannt, keinem Rechtstreit aus dem Weg zu gehen, in diesem Fall von der Möglichkeit keinen Gebrauch machte. Das Landgericht München I konnte also erst mit Zulassung der Anklage im Pilotverfahren im Herbst 2009 Stellung dahingehend nehmen, dass sie die Ansicht der Staatsanwaltschaft München I teilte. Da hatten die Augsburger Staatsanwälte die anderen Verfahren aber längst eingestellt.

Pilotverfahren lässt Abrechnungssystem außen vor
Ursprünglich plante die Staatsanwaltschaft München I zunächst, einige Münchner Ärztinnen und Ärzte als Haupttäter und Bernd Schottdorf als Beihelfer vor dem Landgericht anzuklagen. Denn Ziel der Münchner Staatsanwaltschaft war dabei ausdrücklich, das dahinter stehende „System“ ins Blickfeld zu nehmen. Die Rolle des Labors Schottdorf dabei benennt Schmidt-Sommerfeld klar: Dieses war Kernpunkt der Ermittlungen, hier sei das Abrechnungssystem entwickelt, zur Verfügung gestellt, erläutert und verkauft worden, aufgrund dessen die verdächtigten Ärzte betrügen konnten. Deswegen hätte, so Schmidt-Sommerfeld, Schottdorf mit auf die Anklagebank gehört. Weshalb man sich schließlich für nur ein einziges „Pilotverfahren“ entschied und dabei Schottdorf nicht der Beihilfe anklagte, kann er sich nicht schlüssig erklären.
Die Einstellung aller Verfahren durch die Staatsanwaltschaft Augsburg, hat ihn verblüfft, wenn nicht gar verstimmt. Schließlich wurde damit auch die intensive, langjährige Arbeit seiner Behörde zunichte gemacht. Er ging stets davon aus, dass Augsburg die Verfahren mit verjährungsunterbrechenden Maßnahmen offen hält und das Pilotverfahren abwartet. Nachdem der BGH letztendlich der Rechtsansicht von Harz im Jahr 2012 Recht gab, dachte er sich leicht schadenfroh: „Typisch, der Harz ist doch ein guter Jurist!“
Doch das Pilotverfahren verpuffte bekanntermaßen ohne irgendeinen Effekt. Der Großteil der Verfahren war verjährt, der in Tausenden Fällen der Beihilfe verdächtige Schottdorf kam straflos davon.

Vier Jahre ergebnislose Ermittlungen gegen Journalist und Polizisten
Wie unterschiedlich und völlig anders Verfahren laufen können, zeigte sich am Fall des Passauer Journalisten Denk. Dieser war, wie er selber öffentlich machte, in Besitz einer Kopie eines Spendenschecks und ein damit zusammenhängendes Schreiben Schottdorfs an den ehemaligen Ministerpräsidenten Stoiber. Deshalb wurde Denk wurde Anfang 2010 von den Anwälten Schottdorfs angezeigt und noch am selben Tag durch die Staatsanwaltschaft München I wegen des abstrusen Vorwurfs verfolgt, er hätte E- Mail- oder Faxverkehr abgehört (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, § 201 StGB). Recht schnell ergab sich aber auch der Verdacht, dass Denk die Unterlagen von ehemaligen Mitgliedern der „SoKo Labor“ bekommen haben könnte. Daraufhin wurde ein Verfahren gegen Unbekannt wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen (§ 353b StGB) eingeleitet. Fokussiert wurden die Ermittlungen aber zunächst nur auf drei Beamte der SoKo: Sattler, Mahler und Schötz. Der Grund: Sie hätten ein Motiv gehabt, weil es bereits Anzeigen „aus verschiedenen Richtungen“ gegen sie gegeben hätte. Eine absurde Logik: denn gegen den Beamten Schötz gab es keine Anzeigen, die Anzeigen gegen Sattler und Mahler kamen aber nur aus einer Richtung: von Schottdorf bzw. seinen Anwälten, unter anderem wegen der Verfolgung Unschuldiger und uneidlicher Falschaussage. Beide Verfahren wurden eingestellt, weil die Vorwürfe nicht aufrechterhalten werden konnten. Dennoch wurde gegen die drei durch das Polizeipräsidium Mittelfranken ermittelt, u.a. durch die Auswertung der Laufwerke ihrer Dienstcomputer. Obwohl nichts gefunden und der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden konnte, so bereits ein Ermittlungsbericht aus dem Sommer 2011, wurden die Ermittlungen ausgeweitet. Zwischenzeitlich hat man, so auch die Akten, die dem Untersuchungsausschuss vorliegen, gegen Denk zusätzlich wegen der Anstiftung zum Verrat von Dienstgeheimnissen ermittelt. Die Auswertung von Fragebögen an alle ehemaligen SoKo-Mitglieder im Frühjahr 2012 brachte ebenfalls kein Ergebnis. Dennoch wurden die Verfahren erst Anfang 2014 gegen den Journalisten Denk und gegen Unbekannt eingestellt. Nach sage und schreibe vier Jahren. Druck von der Generalstaatsanwaltschaft München, das Verfahren endlich abzuschließen gab es hier, im Gegensatz zum Pilotverfahren, nicht.

Justizministerium unter Rechtfertigungsdruck
Bayerns Justizministerium gerät immer stärker unter Rechtfertigungsdruck. Nachdem bereits letzte Woche die ehemalige Justizministerin Beate Merk der Lüge gegenüber dem Landtag überführt werden konnte, verdichten sich die Hinweise auf noch andere Unwahrheiten, mit denen der Landtag abgespeist wurde.
Eine besonders zweifelhafte Rolle spielt hierbei der neue Münchner Generalstaatsanwalt Manfred Nötzel. Dieser war zu Zeiten des Falls „Schottdorf“ in der Generalstaatsanwaltschaft Leitender Oberstaatsanwalt und zuständig für dieses Verfahren. Er war es laut Zeugenaussagen, der die verfahrensleitenden Anweisungen an Harz gab und damit mitverantwortlich für dessen Ausgang ist.
Zudem bestritt Nötzel, als damaliger Leiter der Staatsanwaltschaft München I, in einer Sitzung des Verfassungsausschusses des Bayerischen Landtages am 30.01.2014, dass gegen den Journalisten Denk wegen Anstiftung zum Verrat von Dienstgeheimnissen ermittelt wurde, obwohl Akten, als auch Zeugenaussagen inzwischen ein anderes Bild ergeben. Ob er mit dieser Aussage das Parlament belogen hat, muss noch genauer überprüft werden, ggf. durch weitere Zeugenladungen.
Dass Manfred Nötzel ausgerechnet jetzt als Generalstaatsanwalt eingesetzt wird, wirft kein gutes Licht auf den Justizminister.

Mangelnder Aufklärungswille
Weil sie seit den Befragungen der Vorwoche als Lügnerin dasteht, wollten wir die sofortige Ladung der ehemaligen Justizministerin Beate Merk durchsetzen, um sie mit den Aussagen der Münchner Staatsanwältinnen und Staatsanwälte konfrontieren zu können. Aber unser Beweisantrag scheiterte wenig erfreulich, aber erwartungsgemäß an den Stimmen der CSU. Offenbar eilt es weder ihr noch der Ministerin noch dem Ministerpräsidenten mit der Aufklärung dieser brisanten Frage.
In den nächsten Wochen erwarten wir mit Spannung die Aussagen der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte aus Augsburg. Wir werden sie mit den Aussagen der Münchner Kolleginnen und Kollegen konfrontieren und versuchen, die Einflussnahme der Generalstaatsanwaltschaft und damit auch des Justizministeriums noch detaillierter nachzuweisen.

Abrechnungsbetrug durch Ärzte zu Lasten der Beihilfe: Söder sieht weiter tatenlos zu

Nachdem die Regierung bisher nicht deutlich machen konnte, mit welchen Maßnahmen sie
verhindern will bzw. in der Vergangenheit verhindert hat, dass die staatliche Beihilfe und damit Bayerns Steuerzahlerinnen und Steuerzahler durch systematischen Abrechnungsbetrug aufgrund von Verstößen gegen die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bei der Abrechnung von Laborleistungen in vielfacher Millionenhöhe geschädigt wurden bzw. werden, haben wir noch einmal nachgefragt.
Die Antwort gerät zu einer Bankrotterklärung des Finanzministers: Söder hat den Ernst der Lage immer noch nicht erkannt, Grund zur Eile scheint aus seiner Sicht nicht geboten.

Im Schneckentempo zur Digitalisierung
Söder kündigte zwar im Dezember an, dass sich eine extra eingerichtete Arbeitsgruppe im Finanzministerium darum kümmern soll, die Abrechnungsverfahren der Beihilfestellen weiter zu optimieren. Aber diese hat sich erst ganze dreimal getroffen, mit offenbar bescheidenen Ergebnissen. Denn unsere erneute Anfrage bringt u.a. ans Licht, dass Digitalisierung für die Beihilfestellen immer noch kaum erschlossenes „Neuland“ ist.
Die Beihilfesachbearbeitung wird erst seit Juli 2014 schrittweise digitalisiert. Und das, obwohl sich das bayerische Landesamt für Finanzen als „einer der federführenden IT-Dienstleister innerhalb der staatlichen Verwaltung in Bayern“ rühmt und insbesondere seine Beihilfeabrechnungssystem BayBAS hervorhebt. Doch derzeit werden noch nicht einmal die eingehenden Schriftstücke eingescannt bzw. digital aufbereitet (Antwort auf Frage 6.2., S. 8). Aber erst danach könnte überhaupt mit einer computergestützten Rechnungsprüfung begonnen werden.
Solange Söder nicht endlich nachrüsten lässt, ist es der Beihilfe praktisch unmöglich, ein Abrechnungsbetrugssystem wie das im Zusammenhang mit Speziallaborleistungen herauszufiltern.

Kritik des ORH wird weiter ignoriert
Der bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) stellte, unabhängig vom derzeit untersuchten Skandal, schon im Jahr 2008 fest, dass durch eine computergestützte Abrechnungsprüfung jährlich 20 bis 50 Millionen Euro bei der Beihilfe eingespart werden könnten.
Die bayerischen Beihilfestellen bemerkten sogar selber, und zwar ebenfalls im Jahr 2008, dass sie Abrechungsbetrügereien durch Ärzte hilflos ausgeliefert sind. Als sie damals vom BLKA über das Betrugssystem im Zusammenhang mit Speziallaborleistungen unterrichtet wurden, stellten sie fest, dass sie nichts unternehmen konnten, weil die Rechnungsbelege nicht eingescannt und sofort nach der Bearbeitung vernichtet oder zurückgegeben werden. Trotzdem hat man seitdem nichts veranlasst, um diese Missstände abzustellen. Im Gegenteil, nach Aussage von Finanzminister Söder fehlen den Beihilfestellen immer noch wirksame Recherchemöglichkeiten, um Betrugsversuche zu erkennen und abzuwenden. Eine Verbesserung könne, räumt er ein, erst nach der vollständigen Digitalisierung der Beihilfe erreicht werden. Rätselhaft bleibt, weshalb dies nicht sofort umgesetzt wurde oder Söder nicht wenigstens jetzt aufs Tempo drückt.
Auch 7 Jahre später ist nichts passiert und jährlich werden weiterhin Millionen Steuergelder zum Fenster rausgeschmissen.

Rückforderungen – nein danke!
Finanzminister Söder tut nicht nur nichts, damit es in Zukunft nicht zu weiteren Abrechnungsbetrügereien kommt. Nach wie vor werden auch keine Rückforderungsansprüche gegen betrügerische Ärztinnen und Ärzte gestellt, obwohl dies, anders als Söder vorschützt, selbstverständlich möglich wäre.
Im Dezember 2014 behauptete die Regierung noch: „Die Beihilfestellen haben gesetzlich auch keinerlei Befugnisse, dem Arzt gegenüber Beanstandungen oder Rückforderungen vorzunehmen.“ Aber diese Aussage ist falsch. So kann nach Art. 14 S. 4 BayBG der Dienstherr, hier also der bayerische Staat, Rückerstattungs- oder Schadensersatzansprüche aufgrund einer unrichtigen Abrechnung gegen eine Ärztin oder einen Arzt geltend machen, wenn er zu hohe Beilhilfeleistungen für seine Beihilfeberechtigten erbracht hat. Obwohl der Regierung dieser Passus nun auch bekannt ist, wird davon nach wie vor nicht Gebrauch gemacht. Der „bloße Hinweis einer Ermittlungsbehörde“ würde nicht ausreichen.
Was Söder unterschlägt: Die Behörden hätten diesem Hinweis nachgehen müssen. Die staatlichen Beihilfestellen wären nach dem Brief des BLKA verpflichtet gewesen, Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft München I zu beantragen. Dies taten einige privaten Krankenversicherungen und stellten, nach Erhalt der konkreten Daten, Rückforderungsansprüche. Dass dies versäumt wurde und weiterhin wird, schädigt den bayerischen Staat und damit seine Bürgerinnen und Bürger, finanziell in massivster Art und Weise. Betrügerische Ärzte wiederum sehen sich weiterhin ermutigt.

Rechnung mit einem Unbekannten
Nach Aussage des Finanzministeriums haben die Beihilfestellen bei privat Krankenversicherten keinen Zugang zu Datenbanken, mit denen sie die aktuelle fachliche Qualifikation approbierter Ärzte überprüfen könnten (Antwort auf Frage 4.1., S. 5-6). Zwar verfügt die Landesärztekammer über ein solches detailliertes Ärzteregister, in dem Facharztbezeichnung und Zusatzqualifikationen gespeichert werden. Aber das Bundesdatenschutzgesetz schließt aus, dass Beihilfestellen oder private Krankenkassen die für sie relevanten Daten dort routinemäßig abfragen. Dies könnte durch eine Gesetzesinitiative geändert werden, eine entsprechende Klausel müsste in die Meldeordnung aufgenommen werden.
Nichts hindert die Beihilfestellen allerdings daran, anhand der Daten, die ihnen zur Verfügung stehen, sofort ein eigenes Register anzulegen. Ihnen liegen die einschlägigen Daten vor, sie müssten sie nur nutzen. Sie erhalten die Abrechnungen der Ärztinnen und Ärzte und könnten daraus ziehen, was sie zu einer rechtssicheren Prüfung bräuchten (v.a. Facharztbezeichnung). In Sonderfällen, wie bei Fachärztinnen und -ärzten mit Zusatzqualifikationen für M-III-Spezialleistungen in ihrem Fachbereich, könnten sie nachfragen, ob die Leistung selbst in eigener Praxis erbracht wurde. So hat das beispielsweise eine Beihilfestelle in Nordrhein-Westfalen erfolgreich gemacht, wie die Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des BR Magazins kontrovers belegen.

Kassenärztliche Vereinigung Bayern als Vorbild
Ein Beispiel könnte sich die staatliche Beihilfe auch an der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) nehmen. Diese arbeitet nach dem Umkehrschlussprinzip, sie geht nur bei Laborärzten davon aus, dass sie zur Erbringung aller Laborleistungen qualifiziert sind. Unterschieden wird im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM), der die Grundlage für die Abrechnung von kassenärztlichen Leistungen darstellt, zwischen ambulanten Laborleistungen und speziellen Laborleistungen – wie auch in der GOÄ. Für die Erbringung von speziellen Laborleistungen muss die Ärztin oder der Arzt besondere Kenntnisse erworben haben, die im Rahmen der Aus- und Weiterbildung nicht an jeden standardmäßig vermittelt werden. Es wird also eine Genehmigung benötigt, die streng überprüft wird. Alle anderen müssen ihre Qualifikation durch Zeugnisse oder ggf. durch die Teilnahme an einem Kolloquium der KVB nachweisen. Die entsprechenden Genehmigungen werden in der Prüfroutine der KVB als sogenannte „Prüfregel“ hinterlegt. Bei der EDV-gestützten Rechnungsprüfung wird also die Qualifikation des Arztes standardmäßig abgeprüft. Damit ist ausgeschlossen, dass eine nicht genehmigte Laborleistung abgerechnet wird.

Irreführung: GOÄ steht nicht in rechtsfreiem Raum
Die Regierung behauptet absurderweise in ihrer Antwort nach wie vor, dass jeder approbierte Arzt nach der GOÄ grundsätzlich alle ärztlichen Leistungen erbringen könne, die darin aufgeführt werden. Das ist falsch! Die GOÄ steht nicht im rechtsfreien Raum! So setzt die in § 4 Abs. 2, S. 1 GOÄ geforderte fachliche Weisung des Arztes voraus, dass der Arzt selbst über eine entsprechende fachliche Qualifikation zur Erbringung der Leistung verfügt (Hess/Klakow-Franck „GOÄ“, S. 17).
Auch im privatärztlichen Bereich gilt selbstverständlich die sogenannte Facharztbindung. Eine Ärztin oder ein Arzt darf grundsätzlich nur in dem Gebiet tätig sein, dessen Bezeichnung sie oder er führen darf (Art. 34 Heilberufe- und Kammergesetz). „Die Gebietsdefinition bestimmt die Grenzen für die Ausübung der fachärztlichen Tätigkeit“ (§ 2 Abs. 2 Weiterbildungsordnung für bayerische Ärzte). Wenn in der entsprechenden Weiterbildungsordnung zur Erbringung bestimmter Leistungen spezielle Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten vorgeschrieben sind, sind diese selbstverständlich auch Voraussetzung für die Abrechnung dieser Leistungen nach der GOÄ (Brück/Klakow-Franck „Kommentar zur GOÄ“, S. 113/ Rn. 10).
Übersetzt bedeutet das: Ein Orthopäde kann keine Darmspiegelung abrechnen, da deren Durchführung in seiner Ausbildung nicht enthalten ist.
Ähnliche qualitative Anforderungen gelten selbstverständlich auch im Laborbereich. Zwar ist das Kapitel M der GOÄ („Laboratoriumsuntersuchungen“) grundsätzlich allen Arztgruppen zugänglich. Dies ändert aber nichts an dem immer geltenden berufsrechtlichen Gebot der Tätigkeitsbeschränkung auf ein Fachgebiet. Inwieweit eine Ärztin oder ein Arzt gebietsspezifische Laboratoriumsuntersuchungen erbringen und damit auch abrechnen darf, ist in der Richtlinie über den Inhalt der jeweiligen Weiterbildung geregelt. „Damit erfolgte eine Verknüpfung von Gebühren- und Weiterbildungsrecht und eine Konkretisierung des so genannten Facharztstandards für den Bereich der Speziallaborleistungen… Fehlt dem Arzt die nachgewiesenen Fachkunde, so entfällt demnach auch die Liquidationsmöglichkeit.“ (Brück/Klakow-Franck „Kommentar zur GOÄ“, S. 887/ Rn. 1).

Was muss die Beihilfe tun?
Mit ein bisschen Software könnte sie Qualifikationsnachweise für Speziallaborleistungen als Prüfregel einpflegen. Der bürokratische Aufwand wäre gering und in Anbetracht der Schadenshöhe sowie zum Schutz von Patienten und nicht betrügenden Ärzten auch gerechtfertigt.